Mit der Geburt eures Babys verändert sich sehr viel und euer Alltag wird sich nun ganz anders gestalten als davor. Für euer Baby ist es nun sehr wichtig, viel getragen zu werden, zu kuscheln und weiterhin den Herzschlag von Mama und auch Papa zu spüren. Neun Monate wurde es im warmen Bauch geschaukelt, seine Bedürfnisse wurden sofort gestillt. 

Manchmal können sich die ersten Wochen als sehr fordernd gestalten. Das kleine Würmchen weint viel, weil die Geburt erst verarbeitet werden muss. Als Mama hat man vielleicht noch mit Schmerzen oder Problemen beim Stillen zu kämpfen. Deshalb ist es sehr wichtig, das Wochenbett zu nutzen und wie der Name schon sagt „im Bett zu bleiben“. 

Nach dieser Zeit geht es Mama oft wieder gut und alles hat sich soweit eingespielt. Dennoch will sich euer kleiner Sonnenschein nicht ablegen lassen und möchte nur getragen werden? Keine Sorge, dies ist vollkommen natürlich und liegt auch in der Natur des Menschen. Denn aus Sicht der Evolution zählt der Mensch zu den Traglingen. Man spricht in den ersten Monaten nach der Geburt auch vom „4. Semester“. Deshalb keine Angst – du verwöhnst dein Baby nicht, wenn du es viel trägst. Somit kommen wir auch schon zum ersten Punkt:

Menschen sind von Natur aus Traglinge

Es liegt in unseren Genen – das Nervensystem eines Babys braucht den engen Körperkontakt. Denken wir an die Steinzeit. Hätten die Eltern damals ihre Babys einfach in der Hütte liegen gelassen, wären durch das Weinen gefährliche Tiere angelockt worden. Noch heute tragen alle Naturvölker ihre Babys. Durch das Tragen regulierst du die Atmung, den Herzschlag und die Temperatur deines Babys. Außerdem wirkt sich Tragen positiv auf die Verdauung aus. Und: Tragen wirkt sich positiv auf die Entwicklung von Babys Gehirn aus. Ebenso werden die Signale des Babys bereits in einem frühen Stadium erkannt – so kommt es oft gar nicht so weit, dass es weint, weil es z. B. Hunger hat.

Wieso gibt es dann überhaupt einen Kinderwagen? Der erste Kinderwagen wurde ab 1840 hergestellt. Von diesem Tage an wurde der Kinderwagen den Müttern als DAS Transportmittel überhaupt vermarktet. Werbeslogans wie „Tatsachen, die keiner Mutter gleichgültig sein können“ zwangen die „modernen Frauen“ zur Nutzung. Leider wurden seither die Vorurteile und Mythen dem Tragen gegenüber immer mehr und immer kurioser. 

Von „Tragen ist schädlich“ bis „Tragen verwöhnt dein Baby“ und man wolle sich um Himmels Willen ja keinen Tyrannen großziehen, war – und ist! – alles dabei. Das Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ trug da leider in der Zeit ab 1934 nicht unbedingt sein Bestes bei. Viele der Mythen halten sich hartnäckig, haben es ja unsere Großeltern noch so gelernt und an unsere Eltern weitergegeben. Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien, die all diese Mythen und Vorurteile aus dem Weg räumen.

Tragen schont Hände und Rücken des Tragenden

Alle Eltern tragen ihre Babys – meist auf dem Arm. Dies wird aber nach kürzester Zeit schmerzhaft – Arme und Rücken schmerzen. Weglegen lässt sich dein Baby aber nicht, weil es deine Nähe braucht.  Viele Eltern verzweifeln in solchen Situationen, fragen sich, ob ihr Kleines das einzige ist, welches ständig herumgetragen werden will. Du kannst beruhigt sein – dieses Verhalten ist, wie oben schon erwähnt, vollkommen natürlich bei Babys. Ist also der Zeitpunkt gekommen, in dem du das Gefühl hast, dem Bedürfnis deines Babys nach Nähe nicht mehr gerecht zu werden, wird es Zeit für ein Tragetuch oder eine Tragehilfe. Denn so kannst du dem natürlichen Bedürfnis deines Babys und deinem Bedürfnis nach etwas Freiheit gerecht werden.

Und nicht nur das: man hat die Hände frei, um für weitere Geschwisterkinder zu sorgen, sich um den Haushalt zu kümmern oder den Einkauf zu erledigen. Abendliche Schreiphasen können mit dem Tragen in einem Tragetuch Erleichterung schaffen – dein kleines Würmchen ist nah bei dir und spürt deinen Herzschlag.

Außerdem kann Tragen euer Bedürfnis nach Freiheit und Flexibilität ermöglichen – Spaziergänge, Bummeln in der Stadt, der Besuch bei Freunden gestalten sich friedlich, weil dein Baby deine Nähe spürt. 

Tragen fördert die physische und psychische Entwicklung

Wie das geht? Tragen wirkt sich positiv auf die gesunde Entwicklung des kindlichen Hüftgelenkes aus – vorausgesetzt die natürliche Anhock-Spreiz-Haltung wird richtig unterstützt. Außerdem kann das Tragen der lagerbedingten Deformation des Kopfes entgegenwirken. Der Gleichgewichtssinn deines Babys wird durch die ständigen sich ändernden Bewegungen geschult und auch alle anderen Sinne wie Sehen, Schmecken und Hören werden trainiert.

Wie das Tragen dein kleines Würmchen psychisch unterstützen kann? Dein Baby erlebt sich als Familienmitglied, dem auf Augenhöhe begegnet wird – was uns wieder dazu führt, dass du die Bedürfnisse deines Babys bereits sehr früh erkennen kannst. Auch fühlt es sich geliebt, geborgen und auch die Bindung wird wesentlich gestärkt. Damit auch gleich zum vierten Punkt:

Das Baby zu tragen stärkt die Bindung

Schon mal was vom Bindungshormon Oxytocin gehört? Es gilt als DAS Liebeshormon und ist für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zuständig. Bei der Geburt gilt es als wehenfördernd und unterstützt den Milcheinschuss. Außerdem sorgt es dafür, dass Stress besser verarbeitet werden kann und man sich entspannter fühlt. 

All diese Faktoren treffen natürlich auch auf dein Baby zu – die Bindung wird gestärkt und es kann Reizüberflutungen und Stress besser verarbeiten. Deshalb solltest du dein Baby auch immer mit dem Gesicht zu dir Tragen – denn nur so ist es keinen weiteren Reizen ausgesetzt und wird nicht noch mehr überfordert. Wenn dein Baby größer wird und mehr sehen will, kannst du es seitlich oder auf dem Rücken tragen. 

In Studien wurde nachgewiesen, dass getragene Babys meist eine sicherere Bindung zu seinen Eltern hat, als jene, die nicht getragen wurden. Wieso das so ist? Wie bereits oben erwähnt, gelingt es euch als Eltern beim Tragen schneller und feinfühliger auf die Signale eures Babys zu achten. Es fühlt sich sicher. 

Warum ist eine sichere Bindung so wichtig? Man kann diese Bindung auch Urvertrauen nennen – und genau dieses Urvertrauen entwickelt sich in den ersten Lebensmonaten. Daher ist es essentiell, dass Babys im ersten Lebensjahr die Nähe, Liebe und Fürsorge erfahren. Oft kann es passieren, dass Babys aber z. B. aufgrund von Frühgeburt, Operationen oder auch der Entscheidung der leiblichen Mutter nicht immer nah am Körper getragen werden können. 

Viele Krankenhäuser bieten hier aber auch schon die Möglichkeit des Bondings und auch immer mehr Pflegefamilien behelfen sich mit dem Tragen. Oft ist auch die Fremdbetreuung nach kurzer Zeit notwendig – auch hier kann es sehr hilfreich sein, dass die Kinder in der KITA getragen werden und dass die Eltern zu Hause darauf achten, mit dem Baby eine entsprechend sichere Bindung aufzubauen. 

Das Urvertrauen hilft deinem Baby, zu einem gesunden und selbstbewussten Menschen heranzuwachsen. Dazu zählen auch, dass dein Kind ein positives Selbstwertgefühl entwickelt und „liebesfähig“ wird – also auch zu anderen Menschen eine gute Bindung aufzubauen. 

Das Urvertrauen aufzubauen ist eigentlich ganz einfach: indem du die Bedürfnisse deines Babys stillst, stärkst du die Bindung, das Urvertrauen. Leider ist es in unserer schnelllebigen Zeit und Hektik oft gar nicht so einfach, den schmalen Grat zwischen Karriere, Familie und Hobbys, Freunden zu gehen. 

“Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ (nigerianisches Sprichwort)

Die Familiensituationen haben sich verändert – früher wohnten mehrere Generationen zusammen und so wurde auch die Mutter immer unterstützt und entlastet. Und genau das braucht es auch als Familie. Ihr braucht euer Dorf. Sei es die Familie oder wenn ihr diese nicht in greifbarer Nähe habt auch eine Leih-Oma, Freunde, die auch Kinder haben und man sich gegenseitig unterstützt. Sei es eine Haushaltshilfe, die einmal die Woche kommt und alles sauber macht. Denn dann schafft ihr es als Eltern entspannt zu sein und vollkommen auf die Bedürfnisse eures Babys einzugehen.

Die Bedürfnisse eures Babys sind eigentlich nicht groß: essen, schlafen, eine neue Windel und die Nähe von Mama und Papa. Ihr als Eltern werdet in eure Aufgabe wachsen und lernen, wann euer Baby welches Bedürfnis hat. Und es lernt jedes Mal, wenn ihr ein Bedürfnis stillt, dass es umsorgt wird und jemand da ist, wenn es etwas braucht. Und somit sind wir auch schon beim Punkt, wie du das Urvertrauen deines Babys stärken kannst. 

Du hast ein Schreibaby oder weißt einfach nicht mehr, warum es nicht in das Tragetuch will oder sind eure Nächte einfach nur super kurz und du hast das Gefühl sofort einzuschlafen? Holt euch Hilfe bei einer Hebamme, um ein Geburtstrauma zu verarbeiten. Auch der Gang zu einem spezialisierten Cranio-Sacral-Therapeuten kann dabei helfen, eventuelle Blockaden zu lösen, die eurem Baby Schmerzen bereiten. Und natürlich sollest du dir eine Trageberaterin zur Unterstützung holen, die euch zeigt, wie ihr euer Baby richtig trägt. Auch hilft sie euch, das passende Tragetuch, die passende Bindeweise oder auch eine Tragehilfe zu finden.

Und ganz wichtig für dich als Mama: eine Wochenbett-Depression bedarf psychologischer Unterstützung. Viel zu oft wird der Baby-Blues mit einer Wochenbett-Depression verwechselt und dies kann schwerwiegende Folgen für dich als Mama und auch für die Bindung zu deinem Baby haben. Deshalb solltest du dich mit deinem Partner über die Anzeichen der Wochenbett-Depression informieren, damit auch er diese frühzeitig erkennen kann. 

Tragen bedeutet Freiheit, Flexibilität und Mobilität

Egal ob ihr in der Großstadt, am Land oder in den Bergen zu Hause seid – mit dem Kinderwagen stellen sich oft Hürden in den Weg. Seien es die Rolltreppen der U-Bahn-Stationen, die viel zu engen Straßenbahnen und Busse oder die Kinderwagenunfreundlichen Spazierwege. Wenn du dein Baby trägst, bist du komplett frei bei deinen Wegen. Du hast kein sperriges Teil, dass du in deinem vielleicht eh kleinen Auto verstauen musst und somit im Kofferraum noch Platz für einen Koffer, ein Picknick, den Einkauf oder euren geliebten Vierbeiner, der auf keinen Fall fehlen darf. 

Wieso ist aber diese Freiheit für viele Eltern so wichtig? Zum ersten ist es oft der Druck der Gesellschaft – auf Instagram vermitteln uns die „großen Stars“ wie fit sie nicht schon eine Woche nach der Geburt seien. Sie feiern Party, gehen shoppen und ihr Body sieht aus, als ob sie nie ein Kind geboren hätten. Was ich dir als Mama mit Sicherheit sagen kann: diese Mütter werden nach Hause kommen und erschöpft ins Bett fallen. Das Stillen wird meist nicht klappen, da der Stress die Milchbildung hemmt. Ganz abgesehen von den Schmerzen der Nachwehen, eventuellen Geburtsverletzungen und schmerzenden Brüsten. 

Lasst euch von diesem Schein nicht trügen! Es ist natürlich, die ersten 2 bis 3 Wochen einfach nur im Bett zu bleiben. Das darf und SOLL auch so sein. Ihr als Familie müsst erst einmal zusammenfinden. Alles ist neu, das Baby muss erstmal ankommen und auch muss sich alles erst einspielen. Das Stillen braucht Zeit und Ruhe. Holt euch eine Stillberaterin, wenn ihr dabei Probleme habt.

Lasst euch Essen vorbeibringen und verbringt so viel Zeit wie möglich zusammen. Besuch darf gerne abgewiesen werden und auch das Handy darf mal auf Sendepause gehen. Und erst dann, wenn sich alles gut eingespielt hat, sich Mama und Baby fit genug fühlen und ihr das Gefühl habt, JETZT SIND WIR BEREIT – erst dann solltet ihr langsam mit Besuchen und ersten Spaziergängen loslegen.

Und natürlich ist jede Familie anders, jeder Mama geht es nach der Geburt anders und auch bei jedem Baby funktioniert das Stillen weniger gut oder besser. Schaut euch eure Situation an und entscheidet individuell. Diese Entscheidung sollte allerdings niemals auf den Druck von außen basieren, sondern auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Familienmitglieds abgestimmt sein.

Geschrieben von Tatjana Kirchweger von LIEBEVOLL GEBUNDEN

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